Ja, nach Corona fängt die Katastrophe erst richtig an, die Pleitewelle rollt über uns hinweg, alles wird furchtbar, alles ist soo schlimm? – Einige Läden machen dicht, Ketten ziehen sich aus den Innenstädten zurück, ja! ja und! – so what!
Ist das jetzt schlimm oder ist genau das Gegenteil der Fall?
Marktwirtschaft – oder Soziale Marktwirtschaft, jeder wie er will, nur mit denen, die von „Kapitalismus“ sprechen, ist in diesen Fragen nicht zu reden, das dauert zu lange und führt zu nichts.
Aber Marktwirtschaft alleine? – soll man sich auf die „unsichtbare Hand“ verlassen (die es nachweislich gar nicht gibt!)? – als demokratisch verfasste Gesellschaft – als aufgeklärte Zivilgesellschaft – mit Anspruch auf Zukunft – soll man/frau das?
Muss man / frau gar nicht – wg. war noch nie so – alles Märchen!
Wie war es denn? Bevor auch nur ein „normaler Bürger“ etwas von einem Leerstand wusste, haben das natürlich andere gewusst, ist ja klar. Und die haben dieses Wissen sicher nicht geheim gehalten, sicher nicht dann, wenn sie vielleicht einen gekannt haben, der da vielleicht einziehen will mit seiner Geschäfts-Idee. Vitamin B könnte man / frau sagen, ist aber nicht unbedingt Vitamin B. Das ist Vertrauens-Sache und jemanden den man / frau kennt, den kann man* besser einschätzen, als jemanden den man* nicht kennt, ganz ohne Vitamin B – logisch.
Und vielleicht will man* als geneigter Immobilien-Besitzer ja auch eine bestimmt Branche in den eigenen Räumen haben, einfach so – kann man* haben, diese Präferenz, ganz unhinterfragt.
Und was passiert dann, wenn es gut läuft: Ein urbanes nettes Ladenlokal und wenn es super gut läuft entsteht ein ganzes urbanes Stadtbild mit allem was man* so braucht:
Ein Geschäft für Bettfedern, Zudecken, Kissen und so, eines wo Mann einen Schlagschrauber kaufen kann, eines wo Frau ein Teeei kaufen kann, aber nicht so ein kleines, schon ein etwas größeres soll es sein und vielleicht noch ein Stab-Freuerzeug und einen Reisverschluß vielleicht auch noch und ein anderes Geschäft, in dem Mann so einen Stecker, wie er in so ein neues Handy reinpasst, nur mit Anlöt-Kontakten kaufen kann und vielleicht noch ein elektronisches Bauelement, so einen Reed-Schalter, den Mann braucht um Sohn eine Zug-Beeinflussung für die Kehrschleife der LGB-Eisenbahn bauen zu können – wäre das nicht toll?
Eine Einkaufs-Meile in der man* einkaufen kann und nicht alles bei Amazon zusammensuchen muss und zuvor selbst zum Experten werden muss, um die vielen Sachen, die man früher kaufen konnte nun zu bestellen – wäre so etwas nicht toll?
Warum organisieren wir uns sowas nicht wieder, jetzt, wo es die leerstehenden Laden-Locations dazu gäbe, braucht nur noch die Ladenbetreiber – vielleicht sogar die, die gerade zugemacht haben – warum denn nicht?
Manche sehen diese Idee ganz Nahe an dem, was sie dann vielleicht als Planwirtschaft bezeichnen mögen. Aber ist es nicht vielmehr jener Ordo-Liberalismus, den heute leider so recht keiner mehr buchstabieren kann? Ordo = ordnungsrechts-orientierte Marktwirtschaft – das steht dahinter, wenn heute nach allgemeiner Meinung bei den Klagen über die als böse wahrgenommene Gegenwart: Google, Facebook, Amazon, Microsoft und Apple werden angegangen, die amerikanische Art, sich um nichts anderes kümmern zu müssen, als die eigene Rendite wird angeprangert, europäische Werte werden angemahnt, eine Rahmung wird gefordert auf EU-Ebene, nur das die das einmal mehr leider irgendwie nicht wirklich hin bekommen.
Und an dieser Stelle könnte in Heidelberg der Unterschied gemacht werden! Warum sollen wir das in der Hauptstadt des Geistes nicht hinbekommen?
Wir könnten eine Ordnung definieren, die da heißen könnte: Liebe Kaufleute, Immobilien-Eigentümer und Kommunalpolitiker. Seht bitte zu, dass ihr Geld verdient und dabei ein paar Randbedingungen beachtet, die da wären: <Die Grundbedürfnisse sollte man/frau innerhalb des Gemarkungsgebiets schon kaufen können. Besser wäre das. Und wie ihr das macht, das könnt ihr gern unter euch ausmachen. Schließlich leben wir in einer sozialen Marktwirtschaft.> Und damit das wirtschaftlich auch darstellbar ist, lassen wir die Corona-Dankeschein-Aktion in modifizierter Weise auf Dauer weiterlaufen: Jeder Heidelberger Bürger bekommt die Möglichkeit Ordo-Einkaufs-Gulden im Wert von bis zu 50 Euro monatlich für 45 Euro zu erwerben. Diese Einkaufs-Gulden können in allen teilnehmenden1 Heidelberger Geschäften eingelöst werden und sie verlieren in jedem Monat, in dem sie nicht ausgegeben werden 3% ihres Wertes. Der Kurs zu dem die Einkaufs-Gulden erworben werden können, wird jedes Jahr neu festgelegt, um die Wettbewerbsfähigkeit des lokalen Handels in Relation zu Amazon & Co einzuregeln. Den Gewerbetreibenden sollte es nicht untersagt werden, die durch ihre Kunden erworbenen Produkte durch Lastenrad-Dienste nach Hause transportieren zu lassen.
End of Story – mehr braucht es nicht. Das ist breit beschrieben in der einschlägigen Literatur – in der Regel anders genannt – aber warum soll man mit irgendwelchen Bezeichnungen Fronten aufbauen, die wirklich gar keiner braucht! Wir haben doch den für Heidelberg geeigneten Währungs-Namen bereits, den Corona-Dankeschein. Jetzt braucht es nur noch richtige Euros und keine Cents, wie beim Corona-Dankeschein, damit daraus ein Fundament werden kann für jene Branchenstruktur in den Einkaufsstraßen, für die es ein klares politisches Einvernehmen gibt. Nur trauen muss man* sich halt, das politische Einvernehmen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Alle sind sich einig, dass es in einer lebendigen Einkaufs-Straße mehr braucht als die überall immer gleichen Klamotten-, Geschenkartikel- Handy-Ketten und Schnell-Ess-Lokalitäten, aber handeln, das traut sich keiner – nicht mal Boris Palmer. „Inhabergeführte kleine Einzelhandels-Läden“, das ist das Stichwort.
Als ersten Schritt zu einem entsprechenden Gemeinderats-Beschluss schlage ich die übliche Experten-Studie vor. In diesem Rahmen könnte auch gleich die quartiersbezogene Lebensmittelversorgung untersucht werden und in der Folge festgeschrieben, dass die Ansiedlung von Nahversorgungs-Läden so zu erfolgen hat, dass es auch Heidelbergern*, die sich bewusst gegen ein privates Auto entscheiden, möglich sein sollte, Lebensmittel zu erwerben ohne die Dienste von Liefer-Services in Anspruch zu nehmen.
Die GfK spricht von „zentrenrelevanten Sortimente“,2 das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung von „Nutzungsmischung“3 und schlägt „städtebauliche Entwicklungskonzepte“vor.4
In Landshut wurde ein „Einzelhandelskonzept“ erstellt.5 In Heidelberg sind solche Konzept offenbar vor 20 Jahren unter der Ägide von OB Beate Weber und EBM Raban zum letzten mal erstellt worden (jedoch mit sehr breitem Untersuchungsrahmen und entsprechend wenig Tiefgang).6 Könnte mal wieder an der Zeit sein …
Details:
Der Lebensmittel-Einzelhandel zählt im beschriebenen Sinn nicht zu den inhabergeführten Fachgeschäften incl. Bäcker und Metzger.
Ausgenommen davon sind Lebensmittel-Einzelhandels-Unternehmen, die ausschließlich fußläufig bzw. per Fahrrad erreichbar sind. Auch Innenstadt-Möbelhäuser profitieren vom Dankeschein-Bonus.
Die Friseur-Branche kann ebenfalls eher nicht durch Amazon bzw Ebay ersetzt werden, genauso wie Handwerkerleistungen.
Langlebige Konsumgüter, wie Fahrrad unf Fernseher, Waschmaschine und Stereoanlage sind ebenfalls ausgeschlossen und können nicht mit dem Heidelberg-Dankeschein erworben werden.
Jetzt sollte der Gewerbeverband und der Immobilienbesitzer-Verband im Vernehmen mit dem Amt für Wirtschaftsförderung „nur“ noch einen Weg finden, wie inhabergeführten Fachgeschäften bezahlbare Laden-Mieten angeboten werden können. Wäre das was?
1 Teilnahmeberechtigt sind alle Laden-Geschäfte, die nicht ausschließlich auf automobil einkaufende Kunden ausgerichtet sind. Explizit ausgeschlossen sind Einkaufs-Malls in verkehrsgünstig gelegenen Lagen. Ferner sind Ein-Euro-Märke nicht zur Teilnahme berechtigt.
2 https://www.kaltenkirchen.de/de-wAssets/docs/bauen-umwelt/stadplanung/hogfeld/hogfeld17-gutachten.pdf, S. 30
3 https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2017/bbsr-online-23-2017-dl.pdf?__blob=publicationFile&v=1, S. 104 ff.
4 ebenda, S. 114
5 http://www.landshut.de/portal/wirtschaft/einzelhandelsentwicklungskonzept.html
6 https://www.heidelberg.de/hd/HD/Rathaus/Stadtteilrahmenplaene+Publikationen.html